Was für ein irres Wetter. Diesmal, zum 28. Marathon gings zum Einstein Marathon nach Ulm. Start recht früh um 9 Uhr. Das hieß um 5:15 aus dem Bett rollen und auf die leere Autobahn gekachelt. Flutsch, war ich in Ulm.
Zack, war ich im Rathausparkhaus.
Kalt wars, in der Früh hatte es gerade mal 4°. Aber das Wetter würde perfekt werden. Stahlblauer Himmel, kaum Wind und höchstens 17°. Perfektes Laufwetter.
Vom Rathaus, wo am Ende das Ziel sein würde, ging ein Shuttlebus bis zur Donauhalle, wo man seinen Startkrempel abholte.
Völlig entspannt harrte ich dem Start entgegen. Die typische Atmosphäre betrachtet, von nervösen Läufern, die sich auch in der Halle warm liefen, lustige Dehnübungen machten etc. Immer wieder nett anzusehen.
Um kurz vor 9 ging ich mit den Horden zum Startbereich. Es waren so um die 5000 Halbmarathonläufer und insgesamt knapp 700 Marathonläufer. Überall gabs Pacemakerballons, für alle möglichen Zeiten, die man anstreben wolle.
Ich überlegte, was ich denn so laufen würde? Hm, stell ich mich halt mal 50 Meter hinter den 3:45 Stunden Luftballon auf. Ich denk, auch ohne speziellem Marathontraining werd ich doch so um die 3:45 laufen können. Wir werden sehen.
Der Start begann und die Läufer liefen schon mal los, auch wenn man keinen Meter voran kam. Auch immer wieder so ein Phänomen.
Um 9:06 kam unser Block dran mit dem Start und dann gings über die Startlinie, klick auf die Uhr und der 28. Marathon konnte entspannt beginnen.
Die Straßen waren sehr breit. Ist ja auch nötig bei knapp 6.000 Läufern.
Der erste Kilometer war nach 5:32 Minuten erledigt. Hm, gar net mal so schnell, da könnte man ein bisschen schneller machen.
Ich orientierte mich nach dem 3:45 Luftballon, der in 100 Metern vor mir hin und herwackelte.
Die nächsten 5 Kilometer lief ich in etwa 5:13 pro Km, die Strecke führte weiträumig um Ulm herum, mit viel Radweg und viel grün. Schön. Nach 7 km war ich genau beim Luftballon. Aber jetzt musste ich pinkeln. Also rein in die Büsche und Pipipause gemacht. Dann gings wieder auf die Strecke, der Pacemaker war natürlich schon wieder 200 Meter von mir weg. Ja gut, hol ich ihn halt irgendwann wieder ein, hoffentlich.
So lief ich in einem regelmäßigen Tempo vor mich hin, überholte einige Läufer. Später fiel mir auf, dass ich von keinem einzigen Läufer mehr überholt worden bin.
Aber bis dahin isses noch weit.
Nach 11 km hatte ich den Pacemaker wieder erreicht. Problem ist immer, dass um die Pacemaker immer viele Läufer unterwegs sind, da ist das Überholen immer ein bisschen zäh.
Wir waren mittlerweile in der Stadt angekommen. Die Streckenführung war etwas kurios, aber auch nett. Über die Donau wurde über eine Brücke gelaufen, von drüben kamen schon die Läufer, die etwas schneller unterwegs waren entgegen, in dritter Reihe waren noch Läufer, die noch schneller waren und wiederum den etwas schnelleren Läufern entgegen kamen. Ihr könnt mir folgen??? Das kann man auch Bundeslandhopping nennen. Schließlich trennt ja die Donau Bayern von BaWü.
Das war zweimal der Fall. Lustig anzusehen wars allemal.
Die Strecke hat mir gut gefallen, trotz viel zickzack.
Nach 20 km trennte man sich von den Halbmarathonläufern. Das ist immer ein sehr erholsamer Punkt. Ab diesem Moment wird es ruhiger auf der Strecke.
Bald kam die Halbmarathonmarke. Die erste Hälfte schaffte ich in interessanten 1:50:10. Hm, nette Zeit, nochmal das gleiche Tempo und ich hätte eine 3:40 stehen. Immerhin 5 Minuten unter den angestrebten 3:45. Doch nun begann ich nachzudenken. Charly, willst du schon wieder so eine komische Zeit hinlegen, die zwar super ist, aber irgendwie doch unbefriedigend ist, oder willst du es nun drauf ankommen lassen? Wenn ich jetzt die zweite Hälfte in etwas über 1:45 laufe, dann hätte ich eine persönliche Bestzeit, die bei 3:36:25 liegt. Aber ich hielt das ganz schön anmaßend. Schließlich war ich damals vor 2 1/2 Jahren top auf den Marathon hintrainiert, mit einigen langen Läufen, mit Tempoläufen, mit Intervallen und einem strengen Plan, den ich einhielt. Aber egal, ich dachte so bei mir, besser konnten die Verhältnisse gar nicht sein, ich probier das jetzt, entweder gehts mit mir völlig in die Grütze oder ich pack das jetzt. Also wollte ich ab dem Zeitpunkt jeden Kilometer um die 5 Minuten laufen. Klappte ganz gut auf den nächsten 6 km, immer so 5:01, 5:02, 4:59, 5:10 öhm.
Dann bei km 28 traf ich auf Edi, der schon mal die ganze Zeit bei Läufen vor sich hin singt. Auch plaudert er ganz gern mit den Leuten. So hab ich auch einen Kilometer mit ihm geredet, allerdings nur einen Kilometer weit, weil ich fest stellte, dass ich den Kilometer in 5:13 gelaufen bin. Tut mir leid Edi, ich muss echt weiter, wir sehen uns hoffentlich erst wieder im Ziel wieder. Alles Gute und weg war ich. Die verlorene Zeit wollte ich wieder aufholen. Auweia, schließlich waren es noch 13 km.
Aber ich fühlte mich immer noch super. Ich staunte nicht schlecht, als ich sah, dass ich den nächsten Kilometer in 4:48 gelaufen bin. Wahnsinn, bin ich drauf, dachte ich mir. Das geile war ja schon seit der Halbmarathonmarke, dass ich die Leute überholte, als würden sie stehen. Das gab mir permanent immer so einen Schub, das war unglaublich. Als ich dann die nächsten Kilometer immer wieder wie ein Uhrwerk in 4:48 gelaufen bin, schauten die Überholten immer wieder, ob ich überhaupt eine Startnummer hätte, weil ich so schnell vorbei zog. Aber ich hatte eine Startnummer, ich war eine Maschine und ich genoss jeden einzelnen Kilometer. Nachdem 34 Kilometer geschafft waren, nahm ich das zweite Powergel. Aber irgendwie blieb mir das pappige Zeug schräg im Hals hängen. Wasser half auch nicht und ich musste die ganze Zeit husten. War saulästig, aber ich wurde schon von weitem gehört, als ich zum überholen ansetzte.
Einer wollte sich noch an mich hinhängen, lief so 300 Meter neben mir her, ich guckte ihn dann mal grinsend an und das hat ihn wohl ein bisschen demoralisiert und musste sich zurückfallen lassen.
Nachdem der 37. km in irren 4:45 geschafft war, hatte ich plötzlich zwei Tränen in den Augen. Häh? Was denn JETZT los? Emotional werden?
Es lag einfach daran, dass ich WUSSTE, dass es eine neue Bestzeit werden würde, es waren noch 4,2 km, das wären bei einer Pace von 5 min/km noch 21 Minuten und ich hatte noch fast 22 Minuten Zeit dafür. Charly du schaffst es, irre. Ich hustete und lief weiter zuvor schön an der Iller, dann an der Donau entlang, noch 3 km, da vorne dann das 2 km Schild, ich war überwältigt von mir. Und immer noch genoß ich den Lauf, es tat nix weh, mir gings gut, ich hielt mein Tempo. Das 41 km Schild, noch 6 Minuten. Die Stadt war erreicht, die Leute jubelten. Irre viel Zuschauer. Ich kam in den abgesperrten Bereich und rannte die letzten paar hundert Meter bei dieser Gänsehautkulisse und hatte auf den letzten 300 Metern die imposante Gestalt des Ulmer Domes vor der Nase und einen Zielbogen, der unaufhaltsam näher kam und dann rannte ich ins Ziel, ließ einen Schrei los, riss die Arme nach oben und drückte meine Uhr bei 3:34:35 Stunden ab. Neue persönliche Bestzeit um knapp 2 Minuten verbessert. Davon hätte ich ja niemals geträumt und nun hatte ich sie praktisch aus der Hüfte raus geschossen. Ich war völlig von der Rolle und brüllte einem Fotografen in die Kamera, der bereitwillig Fotos von dem Irren machte.
Ich taperte im Zielbereich herum und schüttelte nur immer wieder den Kopf, ich konnte es nicht glauben. Und wieder hatte ich zwei Tränen in den Augen. Ein Hoch auf die Sonnenbrillenindustrie.
Nach dem Erhalt des Beweiseisens gabs leckeres dunkles Weizen zur Verpflegung.
Ich wartete dann auf Edi, der nach 3:51 ins Ziel kam. Edi gings aber nicht so gut, er hatte betonharte Waden und Muskelzucken die ganzen Beine nach oben. Erwin, auch vom Lauftreff Marktoberdorf war auch längst im Ziel mit 3:41.
Wir versorgten uns noch eine ganze Weile und saßen happy in der Sonne.
Danach noch meine Urkunde ausdrucken lassen und da stand es schwarz auf weiß, meine neue PB.
Ich hab natürlich gleich den Hasen angerufen, ich wollte es spannend machen, aber sie hat wohl gleich gehört, dass es besonders gut gelaufen ist, aber fassen konnte sie es auch nicht, dass ich mal eben eine neue Bestzeit gelaufen bin.
Auf der Rückfahrt haben wir uns noch bei Werner, Hilde und dem Nachwuchs getroffen auf ein Käffchen, veganen lecker Kuchen und viel Plauderei. Hase kam mit dem Fahrrad an und hat sogar hergefunden :o)
Heute tun mir die Gräten oberhalb des Knies schön angenehm weh. So ein Heldenschmerz, den man sich aber auch verdient und man weiß, in zwei Tagen ist der Schmerz weg, aber der Stolz bleibt.
Und nächstes Jahr trainier ich wirklich auf einen Marathon hin, so richtig und dann sind die 3:30 fällig!!!!
TSCHAKA!!!!
11 Kommentare:
Respekt!!!!!
Gratulation. Kann die Emotionen nachvollziehen. Eine super Zeit ist das ja.
Jörg
Öhm, eine halbe Minute unter meiner Bestzeit... Also Charly, echt jetzt!
Nö, gönne ich Dir von Herzen und Gratulation für die tolle Leistung.
Gruß
Uli
Danke schön.
Freut mich
@Uli: Echt? Ich hab dich? Ja super.
Wow - Charly, du bist echt riesig und super (nicht nur ratt..........) -:))
Einen ganz dicken, fetten Glückwunsch, ich verneige mich vor Respekt!
Hasenmama
Schön geschrieben ist's...........
na super sohn gratuliere ganz herzlich,kann nur mit einer hand schreiben,
du wirst immer besser,wie machst du das
gruß mama
Ratt... :-)
Ja Muttern. Wie mach ich das? Ich weiß es doch selber nicht. Ist halt die gute Ernährung :-))
Marathon und Schreibe sind spitzenmäßig! Ein bisschen Selbstverliebtheit muss sein bei so nem Ding, das hast du dir echt verdient! Übrigens erinnert mich dein Schreibstil gerade phänomenal an den Schlingensieg. Ist lustig, viele Parallelen:-) Ehrfürchtige Grüße von Manu, lahm wie Hulle derzeit, aber irgendwann sag ich auch mal wieder tschakka;-)
Hammer - gratuliere ganz herzlich :o)))
Danke euch. Schön, wenn dir mein Geschreibsel gefällt Manu :-)
Gerade erst gefunden. Herzlichen Glückwunsch, so ist das ja mal richtig klasse ne neue PB zu laufen! Freu mich schon auf Großbottwar.
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